
Budrass, Lutz und Eva-Maria Roelevink, Bielefeld (transcript-Verlag) 2024, 404 S., ISBN 9783837674316
Als sich in den 1930er für das „Rheinisch-westfälische Industriegebiet“ – getragen von Veröffentlichungen von Wirtschaftshistorikern und Wirtschaftsgeographen, darunter insbesondere Hans Spethmann – allmählich der Name „Ruhrgebiet“ durchzusetzen begann, lag der Produktionsschwerpunkt in Europas größtem Industriegebiet längst außerhalb des Einzugsbereichs der Ruhr und der vorindustriellen Städte im vorindustriell menschenleeren Bereich beiderseits der Emscher. Dies war nur möglich, weil seit der Jahrhundertwende die interkommunale Infrastrukturmaßnahme des Emscherabwassersystems das Gebiet durch die Kanalisation der Emscher und ihrer Nebenbäche für industrielle Zwecke erschloss und ihm gleichzeitig eine räumlich fixierte Struktur gegeben hatte. Seitdem fand das „Ruhrgebiet“ mit seinen wirtschaftlich positiven und negativen Prozessen und seiner anurbanen Strukturhier statt. Zur funktionalen, städtebaulichen und ideologischen Aufarbeitung dieser Strukturen wurde hier von 1989 bis 1999 die Internationale Bauausstellung EmscherPark entwickelt und durchgeführt.
Unter der bewussten Perspektivverschiebung, dass durch die Existenz und Tätigkeit der Emschergenossenschaft das Ruhrgebiet eine – (neue) - räumliche und inhaltliche „Verfasstheit“ erhielt steht dieses Buch. Zwischen den beiden Kapiteln „Anfang“ und „Ende“, die sich mit der inneren Kolonisierung des Industriegebiets zu verschiedenen Zeitständen befassen, stehen acht historische Miniaturen, die sich, meist anhand von authentischen Quellen, mit den verschiedenen „Eigenschaften“ beschäftigen, die der Emschergenossenschaft im Laufe ihrer Entwicklung zugewachsen sind (die „Bad Bank“, die „Wurmaustreibende“, die „Technische“, die „Autonome“, die „Unternehmerin“, die „Hybride“, die „Ewige“, die „Beharrliche“). Dieses Buch gehört zu den interessantesten, die in letzter Zeit über das Ruhrgebiet erschienen sind, und ist uneingeschränkt zu empfehlen.